Non-Fungible Tokens (NFTs) haben die Art und Weise, wie wir digitales
Eigentum betrachten, grundlegend verändert. Sie haben eine neue Ära der
digitalen Knappheit, Authentizität und Übertragbarkeit eingeläutet, die
vorher im digitalen Raum kaum möglich war. Dieses Kapitel behandelt die
technischen Grundlagen, Anwendungsgebiete sowie rechtliche und
wirtschaftliche Aspekte von NFTs.
14.1 Technische Grundlagen von
Non-Fungible Tokens
14.1.1 Von der Fungibilität zur
Nicht-Fungibilität
Um NFTs zu verstehen, ist es wichtig, zunächst den Begriff der
Fungibilität zu klären:
Fungibel: Austauschbare Assets, bei denen jede
Einheit identisch und durch eine andere ersetzbar ist. Beispiele:
Eine 10-Euro-Note ist gegen eine andere 10-Euro-Note
austauschbar
1 Bitcoin ist identisch und austauschbar mit jedem anderen
Bitcoin
Aktien desselben Unternehmens sind untereinander austauschbar
Nicht-fungibel: Einzigartige Assets, die nicht 1:1
austauschbar sind. Beispiele:
Ein bestimmtes Gemälde von Picasso
Eine spezifische Immobilie
Eine Sammlerkarte mit limitierter Auflage
Jeder Eintrag in einem Grundbuch
NFTs sind die blockchain-basierte Umsetzung des Konzepts der
Nicht-Fungibilität für digitale Assets.
14.1.2 Definition und Kernmerkmale
von NFTs
Ein Non-Fungible Token ist ein kryptografischer Token auf einer
Blockchain, der ein einzigartiges Asset repräsentiert und folgende
Eigenschaften aufweist:
Einzigartigkeit: Jeder NFT hat eine einzigartige
Identifikation und Metadaten
Unteilbarkeit: NFTs können nicht in kleinere
Einheiten aufgeteilt werden (im Gegensatz zu Kryptowährungen)
Übertragbarkeit: Sie können auf Marktplätzen frei
gehandelt werden
Nachweisbare Knappheit: Die Limitierung kann
verifiziert werden
Nachweisbare Provenienz: Die gesamte
Eigentumshistorie ist transparent
Programmierbarkeit: Sie können mit Smart Contracts
interagieren
14.1.3 NFT-Standards und ihre
Funktionsweise
14.1.3.1 ERC-721: Der erste
NFT-Standard
ERC-721 wurde 2017 für Ethereum entwickelt und ist der erste und
bekannteste Standard für NFTs:
interface ERC721 {
function balanceOf(address _owner) external view returns (uint256);
function ownerOf(uint256 _tokenId) external view returns (address);
function transferFrom(address _from, address _to, uint256 _tokenId) external payable;
function approve(address _approved, uint256 _tokenId) external payable;
// ... weitere Funktionen
}
Kernfunktionen:
ownerOf: Identifiziert den Besitzer eines bestimmten
Tokens
transferFrom: Ermöglicht die Übertragung des
Tokens
Jeder Token hat eine einzigartige ID innerhalb des Smart
Contracts
14.1.3.2 ERC-1155:
Multi-Token-Standard
ERC-1155 ermöglicht die effiziente Verwaltung mehrerer Token-Typen in
einem einzigen Smart Contract:
Unterstützt sowohl fungible als auch nicht-fungible Tokens
Ermöglicht Batch-Transfers (mehrere Tokens in einer
Transaktion)
Wesentlich gas-effizienter als separate
ERC-721-Implementierungen
Ideal für Anwendungsfälle wie Gaming mit vielen verschiedenen
Items
14.1.3.3 Andere
Blockchain-Implementierungen
NFTs existieren nicht nur auf Ethereum:
Flow: Dapper Labs entwickelte Flow und den Flow
NFT-Standard für bessere Skalierbarkeit (NBA Top Shot)
Solana: Metaplex NFT-Standard mit niedrigeren
Transaktionsgebühren
Tezos: FA2-Standard mit Fokus auf
Energieeffizienz
Binance Smart Chain: BEP-721 und BEP-1155 als
Gegenstücke zu den Ethereum-Standards
14.1.4 Metadaten und
Speicherung
Ein kritischer Aspekt von NFTs ist die Speicherung der eigentlichen
digitalen Inhalte und Metadaten:
14.1.4.1 On-Chain vs. Off-Chain
Speicherung
On-Chain: Daten werden direkt in der Blockchain
gespeichert
Vorteile: Höchste Dauerhaftigkeit und Zensurresistenz
Nachteile: Sehr teuer, begrenzte Datenmenge möglich
Off-Chain: Nur Verweise werden in der Blockchain
gespeichert
Vorteile: Kostengünstig, unbegrenzte Datenmenge
Nachteile: Abhängigkeit von externen Speichersystemen
14.1.4.2 Dezentrale
Speicherlösungen
IPFS (InterPlanetary File System): Ein
verteiltes Speichersystem
Content-addressed: Dateien werden durch ihren Hash
identifiziert
Peer-to-Peer-Architektur für bessere Widerstandsfähigkeit
Oft mit Pinning-Services kombiniert für dauerhafte
Verfügbarkeit
Arweave: “Permanentes” Speichernetzwerk
Einmalzahlung für “ewige” Speicherung
Wirtschaftliche Anreize für langfristige Datenverfügbarkeit
Filecoin: Dezentraler Speichermarktplatz
Blockchain-basierte Anreize für Speicheranbieter
Nachweis der Speicherung und Replikation
14.1.4.3 Metadaten-Standards
Die meisten NFTs folgen einem Standard-Metadatenformat:
{"name":"Asset Name","description":"Description of the asset","image":"ipfs://QmXoypizjW3WknFiJnKLwHCnL72vedxjQkDDP1mXWo6uco/image.png","attributes":[{"trait_type":"Color","value":"Blue"},{"trait_type":"Size","value":"Large"}]}
Diese Metadaten ermöglichen:
Konsistente Darstellung auf verschiedenen Plattformen
Maschinenlesbare Eigenschaften für Filterung und Suche
Integration in Wallets und Marktplätze
14.1.5 Minting, Übertragung und
Verbrennung
Der Lebenszyklus eines NFTs umfasst verschiedene Prozesse:
14.1.5.1 Minting (Prägung)
Minting ist der Prozess der Erstellung eines neuen NFTs:
Erstellung der digitalen Datei (Kunstwerk, Musik, etc.)
Hochladen auf dezentralen Speicher (z.B. IPFS)
Interaktion mit dem Smart Contract zur Erzeugung des Tokens
Zahlung der Transaktionsgebühren (Gas-Kosten)
Varianten:
Direct Minting: Sofortige Erstellung durch den
Ersteller
Lazy Minting: Verzögerte Erstellung bei ersten Kauf
(Gebühren trägt Käufer)
Batch Minting: Erstellung mehrerer NFTs in einer
Transaktion
14.1.5.2 Übertragung und
Handel
NFTs können auf verschiedene Arten übertragen werden:
Direkter Peer-to-Peer-Transfer
Verkauf auf spezialisierten Marktplätzen
Auktionen (englische, holländische, etc.)
Als Teil komplexerer Smart-Contract-Interaktionen
14.1.5.3 Verbrennung (Burning)
NFTs können auch “verbrannt” werden:
Irreversible Zerstörung durch Senden an eine nicht-verwendbare
Adresse
Reduziert das Angebot und erhöht potenziell den Wert verbleibender
Tokens
Kann Teil des Geschäftsmodells sein (z.B. Verbrennen für Zugang zu
Utilität)
14.2 Anwendungsbereiche von
NFTs
NFTs haben zahlreiche Anwendungsfälle über digitale Kunst hinaus.
Hier sind die wichtigsten Bereiche:
14.2.1 Digitale Kunst und
Sammlerstücke
Der bekannteste Anwendungsfall für NFTs:
14.2.1.1 Digitale Kunst
Einzelkunstwerke: Einmalige Kunstwerke wie Beeple’s
“Everydays: The First 5000 Days” ($69 Millionen)
Generative Kunst: Algorithmusbasierte Kunst wie Art
Blocks’ “Chromie Squiggles” oder “Fidenzas”
Fotografie: Digitalisierte Fotografien mit
nachgewiesener Authentizität
Animationen und Videos: Bewegte Kunst wie Beeple’s
“CROSSROAD”
14.2.1.2 Digitale
Sammlerstücke
Profilbilder (PFPs): CryptoPunks, Bored Ape Yacht
Club, Azuki
Limitierte Editionen: NBA Top Shot
(Basketball-Moments)
Kultureller Wandel: Veränderung gesellschaftlicher
Vorstellungen von Besitz und Wert
14.5 Zusammenfassung
NFTs haben als innovative Technologie für digitales Eigentum bereits
erhebliche Aufmerksamkeit erregt und beginnen, unser Verständnis von
Eigentum, Wert und Kreativität im digitalen Zeitalter neu zu
definieren.
Die technischen Grundlagen von NFTs – einzigartige, unteilbare und
übertragbare Token auf der Blockchain – ermöglichen ein breites Spektrum
von Anwendungen, von digitaler Kunst über Gaming bis hin zur
Authentifizierung und Tokenisierung physischer Assets.
Während rechtliche und wirtschaftliche Herausforderungen bestehen,
entwickelt sich das Ökosystem schnell weiter. Die Zukunft von NFTs und
digitalem Eigentum wird wahrscheinlich durch verbesserte
Interoperabilität, benutzerfreundlichere Erfahrungen und neue
Token-Formate gekennzeichnet sein.
Die langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen könnten
tiefgreifend sein, mit Potenzial für die Demokratisierung von Eigentum,
Transformation der Kreativwirtschaft und grundlegende Veränderungen
unserer Konzepte von Besitz und Wert im digitalen Zeitalter.